Wie sich Hochvermögende in Deutschland für eine bessere Welt engagieren
In Zeiten multipler Krisen, in denen der Einsatz jedes Einzelnen entscheidend ist, gewinnt das philanthropische Engagement von Hochvermögenden zunehmend an Bedeutung. Namen wie die Crespo Foundation, die Körber‑, Fritz Thyssen‑, Siemens- und Bertelsmann Stiftung stehen stellvertretend für eine lange Tradition des Gebens in Deutschland. Deutsche Hochvermögende unterstützen soziale, kulturelle und ökologische Projekte oft schon seit Generationen – in Form von Stiftungen, Unternehmensengagement oder privaten Spenden.
Bislang gibt es allerdings kaum Daten über ihre Motivationen und den tatsächlichen Umfang ihres Engagements. In welchen Themenfeldern engagieren sie sich? Über welche Kanäle organisieren sie ihr Engagement? Und was brauchen sie, um strategisch und effektiv zu wirken? PHINEO bringt etwas Licht ins Dunkel und zeigt aktuelle Trends und Entwicklungen dazu, wie Hochvermögende wirken.
In Deutschland gibt es knapp 20.000 Hochvermögende (Ultra-High-Net-Worth-Individuen bzw. UHNWIs) – also Personen, die ein Nettovermögen von mindestens 30 Millionen US-Dollar haben. Mit dieser Zahl liegt Deutschland auf Platz drei weltweit.
Diskrete Wohltäter*innen: Deutschlands versteckte Philanthropie im Aufwind
Philanthropisches Kapital ergänzt in Deutschland die Funktionen des starken Wohlfahrtsstaats und wirkt darüber hinaus. Die Mehrheit der deutschen Hochvermögenden engagiert sich mit ihrer persönlichen Zeit, ihrem Netzwerk, Kapital und Vermögenswerten für wohltätige Zwecke. Sie sieht sich in der Verantwortung, ihr Vermögen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme einzusetzen. Eine öffentliche „Kultur der Philanthropie”, wie man sie in den USA oder Großbritannien findet, gibt es aber hierzulande nicht. Deutsche Philanthrop*innen stehen mit ihrem Engagement nur ungern im Rampenlicht.
Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass das philanthropische Engagement deutscher Hochvermögender zunehmen wird. Gründe dafür sind unter anderem die steigende Anzahl wohlhabender Personen, aber auch eine wachsende Bereitschaft unter ihnen, gemeinnützige Zwecke zu unterstützen. Sie reflektieren angesichts diverser und omnipräsenter Krisen zunehmend ihre Rolle neben dem Staat und wie sie zu gesellschaftlichen Herausforderungen beitragen können. Außerdem werden Philanthropie-Vorbilder sichtbarer und insbesondere NextGens geben neue Impulse.
Sonja Schäffler, Leitung Großspendenberatung & Wirkungsanalyse PHINEO
„Es stimmt mich positiv, dass Menschen sich unabhängig von sozioökonomischen Rahmenbedingungen engagieren und dabei besonders Wert auf die Inhalte ihres Engagements und auf systemisches Wirken legen.“
Laut Schätzungen von Expert*innen haben deutsche Hochvermögende im Jahr 2022 einen mittleren einstelligen Milliarden-Betrag an philanthropischem Kapital über Spenden und Stiftungen bereitgestellt. Diese Zahl variiert, da nicht alle Kanäle, über die Engagement stattfindet (z.B. Impact Investing), berücksichtigt werden konnten. Expert*innen gehen davon aus, dass noch mehr philanthropisches Kapital für gemeinnützige Zwecke bereitgestellt werden könnte.
Die Zukunft im Blick: Wo Hochvermögende sich engagieren
Deutsche Hochvermögende setzen sich traditionell vor allem für Bildung, Kinder- und Jugendhilfe, Kunst und Kultur, Umwelt- und Naturschutz sowie Gesundheit und Wissenschaftsförderung ein. Diese Bereiche stehen im Mittelpunkt ihres Engagements, oft mit einem Schwerpunkt auf nationalen Projekten. Dennoch unterstützt über die Hälfte der deutschen Hochvermögenden auch internationale Projekte, z.B. entlang ihrer unternehmerischen Tätigkeiten im Ausland.
Doch die Förderlandschaft verändert sich. Hochvermögende unterstützen verstärkt Projekte, die Deutschland zukunftsfähiger machen wollen („Future Proofing“). Die Klima- und Biodiversitätskrise führt zu mehr Förderungen im Bereich Klima- und Umweltschutz, der demographische Wandel hat neue Konzepte im Gesundheitswesen zur Folge. Auch die nachhaltige Transformation der deutschen Wirtschaft und ihrer Wettbewerbsfähigkeit rückt zunehmend in den Fokus. Die Förderungen von unternehmerischen Fähigkeiten und Innovation, MINT-Forschung und ‑Bildung und sogenannter „Future Skills“ wie Resilienz, Empathie, digitaler, interkultureller und kommunikativer Kompetenzen nimmt Fahrt auf.
Bei allen Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind das positive Nachrichten: Breite gesellschaftliche Debatten und philanthropisches Engagement bedingen sich gegenseitig und Hochvermögende und ihre Stiftungen reagieren auf gesellschaftliche Bedarfe. Familienunternehmertum und Nachhaltigkeit werden immer öfter gemeinsam gedacht und Engagement und Philanthropie sind nicht mehr nur „Add-on“.
Linda Gugelfuß, ehemals Leitung Großspendenberatung & Wirkungsanalyse PHINEO
„Philanthropischem Kapital liegt eine große Freiheit inne – es ist beflügelnd zu sehen, dass es zunehmend auch als ‚Risikokapital‘ eingesetzt wird, um Zukunftsthemen voranzubringen. Wo die Stärken von Familienunternehmen, der Zivilgesellschaft sowie Sozialunternehmen und der öffentlichen Hand klug gespielt werden, kann nachhaltiger Wandel gelingen.“
Von Tradition zu Innovation: So fördern Hochvermögende heute
Die klassische Stiftung und traditionelle Spenden dominieren weiterhin die Art der Umsetzung philanthropischen Engagements in Deutschland. Das Vorkommen von gemeinnützigen Stiftungen steigt mit zunehmendem Familienvermögen. Darüber hinaus nutzen Hochvermögende ihre (Familien-)Unternehmen als Vehikel für diverses Engagement. Sie stellen personelle, finanzielle und sonstige Ressourcen zur Verfügung, um z.B. Akut- und Katastrophenhilfe zu leisten.
Trotz der langen Tradition des Gebens engagieren sich die wenigsten Hochvermögenden strategisch, also z.B. mit fundierter Wirkungslogik, klar definierten strategischen Maßnahmen und Zielen sowie Monitoring und Evaluation. Auch wenn die strategische Ausrichtung bislang nur bei wenigen Hochvermögenden ein Leitprinzip ihres Engagements ist, stellen sich immer mehr die Frage: „Wie fördere ich eigentlich effektiv und smart?“ Diesen Gedanken treibt die Erkenntnis, dass Geld nicht die Antwort auf alle Herausforderungen ist.
Es besteht ein wachsender Konsens darüber, dass traditionelle Ansätze, wie auf Ewigkeit angelegte Stiftungen, ihr Potenzial nicht vollständig ausschöpfen. Neue, flexible Wege des Gebens werden erkundet, angetrieben von etablierten Philanthrop*innen und NextGens. Zu neuen Modellen gehören z.B. Rechtsformen wie die gGmbH oder die Verbrauchsstiftung. Zudem gewinnen (Multi-)Family Offices als Philanthropie-Partner für Hochvermögende an Bedeutung.
Rupert Graf Strachwitz, Gründer und Senior Strategic Advisor, Maecenata Stiftung
„Immer mehr Hochvermögende lassen sich mit einer gewissen Professionalität auf das Thema Philanthropie ein. Oder, wenn sie das nicht wollen, holen sie sich jemanden, der ihnen dabei professionell zur Seite steht. Viele möchten ihr Engagement von Anfang bis Ende verstehen und etwas verändern.”
Was es jetzt braucht: Brücken bauen
Es gibt noch Luft nach oben: Das Potenzial, Hochvermögende in ihrem Engagement wirkungsorientiert zu unterstützen, Herausforderungen gemeinsam anzugehen und ein „Ökosystem für Philanthropie“ in Deutschland zu schaffen, ist groß. Expert*innen sind sich einig, dass mehr philanthropische Aktivitäten möglich sind, von wohlhabenden Einzelpersonen bis hin zu Milliardär*innen. Um dies zu erreichen, könnten verschiedene Maßnahmen hilfreich sein:
- Bildungs- und Erfahrungsangebote zu Grundlagen des philanthropischen Engagements für Hochvermögende
- Stärkung der Philanthropie-Beratungskompetenz im Berater*innenumfeld von Hochvermögenden
- Schaffung von Austauschmöglichkeiten mit anderen Hochvermögenden und dem gemeinnützigen Sektor
Falko Paetzold, Initiator & Board, Center for Sustainable Finance and Private Wealth (CSP) Zurich, Singapore and North America
“Der Ruf und die Position von vermögenden Personen sind äußerst wertvoll. Sie benötigen strategisches Bewusstsein, um ihre Rolle zu nutzen und philanthropische Anliegen sichtbarer zu machen.”
Im Rahmen verschiedener Beratungsprojekte analysiert PHINEO regelmäßig bestimmte Fragestellungen zur Arbeit, Wirkung und Förderung gemeinnütziger Organisationen. Die oben genannten Erkenntnisse entstammen der Konsolidierung verschiedener Quellen, interner PHINEO Expertise, Analysen von hochvermögenden Familien und ihrem Engagement und 15 Interviews mit externen Interviewpartner*innen.
Als Impact-Partnerin steht PHINEO Philanthrop*innen seit fast 15 Jahren zur Seite. Wir wissen, dass viele von ihnen auf dem Weg, „Gutes“ zu tun und zu bewirken, vor Herausforderungen stehen. Planung, Strukturierung und Durchführung wirken oft überwältigend. Wir unterstützen vertrauensvoll und tatkräftig, indem wir unsere Expertise aus dem gemeinnützigen Sektor einbringen.
Impact Case Studies von großen Philanthrop*innen bzw. Stiftungen:
- SKala-Initiative
- Initiative Kommune 360°
- Initiative Mobilitätskultur
- Förderinitiative Peters
PHINEO ist seit 15 Jahren Wirkungspionierin und bringt ihr Wissen aktiv ein, etwa …
- … für Großspender*innen & Philanthrop*innen
- … für Stiftungen
- … oder als ThinkTank – wie im NextGen Report