Von der Uto­pie zum Ziel­bild: Die inno­va­ti­ve Verwaltung

19.03.2025

Die deut­sche Ver­wal­tung steht für Zuver­läs­sig­keit, Gründ­lich­keit und Rechts­si­cher­heit. So sorgt sie als zen­tra­ler Pfei­ler unse­rer Gesell­schaft dafür, dass unser Gemein­we­sen funk­tio­niert. Doch in einer Welt, die sich rasant ver­än­dert, kann ein Wei­ter so” auch zum Risi­ko werden.

Inno­va­ti­on ist die Vor­aus­set­zung dafür, Ver­wal­tungs­leis­tun­gen für Bürger*innen auch in Zukunft zu sichern und wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Auch dadurch kann das Ver­trau­en in Staat und Demo­kra­tie wie­der stei­gen. Damit die­se Inno­va­ti­on gut gelingt, müs­sen sich neue Denk- und Arbeits­wei­sen inner­halb der Ver­wal­tung jetzt ver­ste­ti­gen, denn: Ohne Inno­va­ti­on inner­halb der Ver­wal­tung auch kei­ne Inno­va­ti­on für Bürger*innen.

Der Impact Staat” han­delt innovativ 

Mit dem Impact Staat“ haben wir ein Leit­bild vor­ge­legt, das unse­re Visi­on eines zeit­ge­mä­ßen, staat­li­chen Han­delns skiz­ziert. Es ist die Wei­ter­ent­wick­lung des Kon­zep­tes wir­kungs­ori­en­tier­ten Arbei­tens für die Ver­wal­tung. Der Impact Staat zeich­net sich durch fünf Kern­merk­ma­le aus: Er han­delt mis­si­ons­ge­trie­ben, kol­la­bo­ra­tiv, daten­ba­siert, kom­mu­ni­ka­ti­ons­stark und innovativ. 

Kli­ma­kri­se, sin­ken­des Ver­trau­en in die Demo­kra­tie, wach­sen­de sozia­le Ungleich­heit, Res­sour­cen­knapp­heit – all die­se und wei­te­re Fak­to­ren stel­len neue Anfor­de­run­gen an die Ver­wal­tung. Ihr Ziel muss es sein, in Zukunft noch stär­ker gute Lebens­be­din­gun­gen zu ermög­li­chen und Wei­chen für die Zukunft zu stel­len. Das gelingt der Ver­wal­tung dann, wenn sie inno­va­ti­ve Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen ent­wi­ckelt, die das Leben der Bürger*innen maß­geb­lich posi­tiv beeinflussen. 

Wir suchen erfah­re­ne Expert*innen für die Verwaltungstransformation

Sie wol­len in einem euro­pa­wei­ten Pro­gramm die Zukunft von Städ­ten durch inno­va­ti­ve Ansät­ze mit­ge­stal­ten? Wir sind auf der Suche nach erfah­re­nen Veränderungsgestalter*innen und Innovationsexpert*innen, die mit uns kom­ple­xe Her­aus­for­de­run­gen deut­scher Groß­städ­te bear­bei­ten möchten.

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Inno­va­ti­on schafft neue Erfolgs­ge­schich­ten aus der Verwaltung 

Als Ant­wort auf Kri­tik an der Ver­wal­tung wird schnell das Wun­der­mit­tel“ Inno­va­ti­on gefor­dert. Zum Bei­spiel, wenn mal wie­der zu viel aus­ge­druckt oder zu lang­sam gear­bei­tet wür­de. Dadurch wird Inno­va­ti­on häu­fig mit Digi­ta­li­sie­rung gleich­ge­setzt. Doch Inno­va­ti­on in der Ver­wal­tung bedeu­tet mehr als digi­ta­li­sier­te Ser­vices und Pro­zes­se und geht über kon­kre­te Pro­duk­te hin­aus. Inno­va­ti­on ist außer­dem nicht nur eine Fra­ge der Effi­zi­enz und auch nicht immer eine Kri­tik an dem, was bis­her geleis­tet wurde. 

Statt­des­sen ist Inno­va­ti­on viel­mehr eine Not­wen­dig­keit. Sie bie­tet die Chan­ce, neue Ant­wor­ten auf bis­her unge­lös­te Pro­ble­me zu fin­den. Und mehr denn je geht es jetzt genau dar­um: Neue Wege zu fin­den, um die kom­ple­xen Her­aus­for­de­run­gen unse­rer Zeit zu bewäl­ti­gen. Damit die­se neu­en Erfolgs­ge­schich­ten ent­ste­hen, müs­sen inno­va­ti­ve Ansät­ze und Arbeits­wei­sen fest in der Ver­wal­tung ver­an­kert und eta­bliert wer­den. Und wie gelingt das? 

Bei­spiel

Die fik­ti­ve Kom­mu­ne Saal­berg ver­zeich­ne­te in den ver­gan­ge­nen Mona­ten einen star­ken Zuzug von geflüch­te­ten Men­schen. Die Ver­wal­tung bemüh­te sich um eine gute Betreu­ung, u.a. in dem sie zusätz­li­che Kita­plät­ze schuf. Den­noch gab es Vor­be­hal­te und Berüh­rungs­ängs­te gegen­über staat­li­chen Insti­tu­tio­nen. So hat­ten vie­le Eltern nega­ti­ve Erfah­run­gen gemacht und woll­ten ihre Kin­der nicht in staat­li­che Kitas geben. 

Die Ver­wal­tung in Saal­berg schuf dar­auf­hin ein Brü­cken­an­ge­bot in Form einer Löwen­zahn-Kita: Ein zur Kita umge­bau­ter Wohn­wa­gen bot für eini­ge Mona­te eine kos­ten­lo­se Betreu­ung auf Spiel­plät­zen in Saal­berg an. So konn­ten Eltern und Kin­der unver­bind­lich und für zunächst kur­ze Zeit­räu­me mit den Kitabetreuer*innen und die­ser Art der Kin­der­be­treu­ung in Kon­takt kom­men. Die Löwen­zahn-Kita schuf neue Begeg­nungs­räu­me und Ver­trau­en zwi­schen Betreu­ungs­per­so­nal, Kin­dern und Eltern. 

Stan­dard und Inno­va­ti­on: Zwei Arbeits­mo­di, eine Verwaltung 

Eine zukunfts­fä­hi­ge Ver­wal­tung ver­eint zwei schein­bar gegen­sätz­li­che Arbeits­mo­di in sich: Der Stan­dardmodus sorgt für die zuver­läs­si­ge Erfül­lung von Geset­zen und Ver­ord­nun­gen. Er ist essen­zi­ell für Sta­bi­li­tät und Rechts­si­cher­heit. Feh­ler haben gra­vie­ren­de Fol­gen, wodurch das Aus­pro­bie­ren von neu­en Pro­zes­sen o.ä. hier nicht mög­lich ist. Im Inno­va­ti­ons­mo­dus zäh­len hin­ge­gen Krea­ti­vi­tät, Mut und die Bereit­schaft, Din­ge grund­le­gend neu zu gestal­ten und dabei auch Feh­ler zu machen. Er ermög­licht es, neue Wege aus­zu­pro­bie­ren, um inno­va­ti­ve Lösun­gen zu fin­den (in Ansät­zen ermög­li­chen das z.B. Real­la­bo­re und Expe­ri­men­tier­klau­seln bereits). Die­ser Modus ist wich­tig, um zukunfts­fä­hig und fle­xi­bel agie­ren zu können. 

Bei­de Arbeits­mo­di zusam­men sichern die Hand­lungs­fä­hig­keit des Impact Staats. Sie exis­tie­ren gleich­zei­tig und haben ihre Berech­ti­gung sowie Not­wen­dig­keit. Wir sind auf den Stan­dard­mo­dus ange­wie­sen, damit gesetz­li­che Auf­ga­ben abge­si­chert sind und die Zuver­läs­sig­keit der Ver­wal­tung garan­tiert wer­den kann. Ohne einen par­al­le­len Inno­va­ti­ons­mo­dus ist die­ser Stan­dard­mo­dus jedoch nicht erfolg­reich, da er man­che Bedar­fe – ins­be­son­de­re neu auf­kom­men­de – nicht (aus­rei­chend) abbil­den kann. Ähn­lich wie Wirt­schafts­un­ter­neh­men muss auch die Ver­wal­tung ler­nen, stan­dard­mä­ßig, kon­ti­nu­ier­lich und par­al­lel zum Tages­ge­schäft zu innovieren. 

Die Her­aus­for­de­rung besteht dar­in, fle­xi­bel zwi­schen die­sen bei­den Modi wech­seln zu kön­nen. Nicht alle Mit­ar­bei­ten­den müs­sen bei­de Modi beherr­schen. Aber ins­be­son­de­re Füh­rungs­kräf­te und Mit­ar­bei­ten­de in Quer­schnitts­be­rei­chen soll­ten die Fähig­keit haben, bei­de Pro­zes­se navi­gie­ren zu kön­nen: Sie müs­sen (ler­nen,) fle­xi­bel zwi­schen den Modi zu wech­seln und erken­nen, wann es sich lohnt, neue Wege zu gehen – und wann es wich­tig ist, sich auf bewähr­te Pro­zes­se zu verlassen. 

Bei­spiel

In Saal­berg umfass­te der Stan­dard­mo­dus die bekann­ten Maß­nah­men im Fal­le eines Zuzu­ges. Sie basier­ten auf der Arbeit der Fach­be­rei­che und ihren klas­si­schen Zustän­dig­kei­ten. Doch die Bereit­stel­lung zusätz­li­cher Kita­plät­ze für zuge­zo­ge­ne Kin­der konn­te die Pro­blem­la­ge allei­ne nicht lösen. 

Der par­al­lel statt­fin­den­de Inno­va­ti­ons­mo­dus set­ze dort an, wo die bestehen­den Struk­tu­ren nicht mehr hal­fen: Die Saal­ber­ger Ver­wal­tung erkann­te die spe­zi­fi­schen Bedürf­nis­se der neu­en Ziel­grup­pen und ent­wi­ckel­te dar­auf­hin ein inno­va­ti­ves Ange­bot, dass ihren Bedürf­nis­sen mehr ent­sprach. Das wur­de mög­lich, weil die Ver­wal­tung auf res­sort­über­grei­fen­de Zusam­men­ar­beit setz­te, u.a. mit Kolleg*innen aus den Abtei­lun­gen Bau, Recht und Sozia­les. Das Ziel der Löwen­zahn-Kita war es außer­dem nie, die Kin­der dau­er­haft in der fle­xi­blen Ein­rich­tung zu betreu­en. Statt­des­sen soll­te sie hel­fen, Ver­trau­en auf­zu­bau­en und so den Über­gang in die klas­si­schen Kitas zu ermöglichen. 

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4 Arten von Inno­va­ti­on in der Verwaltung

Inno­va­ti­on ist also mehr als Digi­ta­li­sie­rung, Effi­zi­enz­stei­ge­rung und nicht immer eine Lösung für Kri­tik an Ver­wal­tungs­han­deln. Sie ent­steht par­al­lel zum Tages­ge­schäft“ der Ver­wal­tung (Stan­dard­mo­dus). Hin­zu­kommt, dass es nicht die eine Inno­va­ti­on gibt. Statt­des­sen unter­schei­den z.B. de Vries et al. (2014) vier unter­schied­li­che Arten von Innovation:

  • Pro­dukt- und Ser­vice­in­no­va­ti­on: Die Ver­wal­tung stellt Bürger*innen inno­va­ti­ve Pro­duk­te oder Dienst­leis­tun­gen zur Ver­fü­gung. Bei­spiel: Impf­bus­se wäh­rend der Corona-Pandemie 
  • Pro­zess­in­no­va­ti­on: Die Ver­wal­tung nutzt neue Arbeits­me­tho­den und For­ma­te für ihre Arbeit. Aber auch tech­no­lo­gi­sche Neue­rung zäh­len in die­se Kate­go­rie. Bei­spie­le: neue Manage­ment- und Arbeits­me­tho­den, e‑Akte
  • Gover­nan­ce Inno­va­ti­on: Die Ver­wal­tung eta­bliert neue For­men der Zusam­men­ar­beit und des gemein­sa­men Han­delns, um spe­zi­fi­sche gesell­schaft­li­che Pro­ble­me zu lösen. Sie nutzt dafür z.B. Kon­zep­te wie Open Inno­va­ti­on oder Coll­ec­ti­ve Impact. 
  • Kon­zep­tio­nel­le Inno­va­ti­on: Die Ver­wal­tung greift auf neue Para­dig­men oder Denk­wei­sen zurück, um neue Per­spek­ti­ven berück­sich­ti­gen zu kön­nen. Bei­spiel: Bürger*innen wer­den mit Hil­fe von Betei­li­gungs­mög­lich­kei­ten zu Co-Produzent*innen

Die­se vier Inno­va­ti­ons­ar­ten zei­gen: Inno­va­ti­on lässt sich nicht nur gleich­set­zen mit neu­en Tools oder fer­ti­gen Pro­duk­ten und Pro­zes­sen. Auch neue Arbeits­wei­sen oder Lösungs­an­sät­ze inner­halb der Ver­wal­tung gel­ten als Inno­va­ti­on. Die­se Inno­va­ti­on ist viel­fäl­tig und Grund­la­ge inno­va­ti­ver Ange­bo­te für Bürger*innen.

Bei­spiel

Das fik­ti­ve Bei­spiel der Löwen­zahn-Kita ver­eint alle vier Arten von Inno­va­ti­on in sich. Das mobi­le Betreu­ungs­an­ge­bot als Alter­na­ti­ve zur klas­si­schen Kita ist eine Pro­dukt­in­no­va­ti­on: Die Art der Aus­ge­stal­tung und Bereit­stel­lung der Kin­der­be­treu­ung ist grund­le­gend anders als die klas­si­scher Kitas in Saal­berg und wur­de so noch nie zuvor angeboten. 

Die intern neu auf­ge­setz­te res­sort­über­grei­fen­de Zusam­men­ar­beit in der Saal­ber­ger Ver­wal­tung ist eine Pro­zess­in­no­va­ti­on: Es ent­stand z.B. eine neue Steue­rungs- und Pro­jekt­grup­pe, die das Ange­bot der Löwen­zahn-Kita gemein­sam ent­wi­ckel­te und in Abstim­mung z.B. mit den Berei­chen Gesund­heit, Bau sowie Recht umset­ze. Für die Gover­nan­ce Inno­va­ti­on steht die Koope­ra­ti­on der Ver­wal­tung mit frei­en Trä­gern und migran­ti­schen Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on. Sie brach­ten ihre Per­spek­ti­ven ein und mach­ten die Löwen­zahn-Kita so zu einem erfolg­rei­chen Pro­jekt, das von der Ziel­grup­pe auch ange­nom­men wurde. 

Die Kom­mu­ne Saal­berg über­trug das Kon­zept der auf­su­chen­den Sozi­al­ar­beit auf die Kin­der­ta­ges­stät­ten. Sie brach­te das Ange­bot der Löwen­zahn-Kita an die Orte, an denen sich die Ziel­grup­pe auf­hielt und ent­wi­ckelt damit eine kon­zep­tio­nel­le Inno­va­ti­on.

Fazit: Inno­va­ti­on ist kei­ne Insel, son­dern ein inte­gra­ler Bestand­teil der Verwaltung 

Somit wird deut­lich: Inno­va­ti­ons­la­bo­re oder ‑abtei­lun­gen sind gut gemein­te Initia­ti­ven, um inno­va­ti­ves Arbei­ten in der Ver­wal­tung zu tes­ten. Sie rei­chen jedoch nicht aus. Inno­va­ti­on darf nicht in iso­lier­ten Ein­hei­ten statt­fin­den, son­dern muss zen­tral in die Ver­wal­tung inte­griert und ver­an­kert wer­den. Sie muss Teil ihrer DNA wer­den. Dafür braucht es zum einen ent­spre­chen­de Struk­tu­ren wie z.B. gemein­sa­me Gre­mi­en und abtei­lungs­über­grei­fen­de Arbeits­grup­pen. Zum ande­ren muss in der Ver­wal­tung eine Kul­tur ent­ste­hen, die Krea­ti­vi­tät för­dert, Feh­ler erlaubt und den Aus­tausch von Ideen unterstützt. 

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Dr. Julia Nast | julia.​nast@​phineo.​org
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