Las­sen Sie das gute Wort durch ande­re sprechen”

27.02.2025

Die hohen Zuge­win­ne bei der Bun­des­tags­wahl für die in wei­ten Tei­len als gesi­chert rechts­extrem ein­ge­stuf­te AfD; die stän­di­gen, oft irre anmu­ten­den Ver­laut­ba­run­gen der neu­en ame­ri­ka­ni­schen Regie­rung; der anhal­ten­de Angriffs­krieg Russ­lands auf die Ukrai­ne – die täg­li­chen Nach­rich­ten for­dern uns Demo­kra­tin­nen und Demo­kra­ten her­aus. Gera­de jetzt aber brau­chen wir über­ir­di­sche Kräf­te. Wir haben jeman­den gefragt, der sich damit aus­kennt, den Bischof der evan­ge­li­schen Kir­che Ber­lin-Bran­den­burg-schle­si­sche Ober­lau­sitz, Dr. Chris­ti­an Stäblein.

Herr Stäb­lein, wie kön­nen wir in die­sen Zei­ten zuver­sicht­lich bleiben?

Es ist jetzt total wich­tig, sich gelin­gen­de Geschich­ten zu erzäh­len – also immer wie­der an das zu erin­nern, was im eige­nen Umfeld an Wirk­sam­keit auch trös­tet und stärkt. Ich habe das neu­lich selbst erlebt. Als ich mit Freun­den zusam­men­saß und wir die Welt­la­ge dis­ku­tier­ten, war die Stim­mung gedrückt. Es hat dann einer vom inter­re­li­giö­sen Kurs in der Tele­fon­seel­sor­ge erzählt, wo sich viel mehr Men­schen ange­mel­det haben als erwar­tet. Und dann teil­ten alle meh­re­re Geschich­ten gelin­gen­der Ver­stän­di­gung und eines guten Mit­ein­an­ders. In einer Zeit wie unse­rer ist es wich­tig, das zu erzäh­len, sonst erdrü­cken uns die Nachrichten. 

Und, das klingt jetzt viel­leicht schlicht, die bibli­schen Geschich­ten kön­nen einen stär­ken. Auch in frü­he­ren her­aus­for­dern­den Zei­ten erzähl­ten sich die Men­schen hoff­nungs­vol­le Geschich­ten und haben sie wei­ter­ge­tra­gen, damit wir sie heu­te wie­der und wie­der lesen. Und sei es nur, dass sie uns dar­in stär­ken, aus­zu­hal­ten, ja durch­zu­hal­ten in gera­der Hal­tung. Denn es kom­men auch wie­der bes­se­re Zeiten. 

Wel­che Geschich­te legen Sie uns beson­ders ans Herz? 

Neben den Pau­lus-Brie­fen habe ich neu­lich wie­der an Wolf Bier­mann gedacht. Er singt das alte Lied Du laß‘ dich nicht ver­här­ten in die­ser har­ten Zeit“. Und das ist doch eigent­lich eine gute Parole. 

Wie fin­det man Trost, auch wenn man nicht in der Kir­che aktiv ist oder an Gott glaubt?

Blei­ben wir bei den Geschich­ten. Wenn man selbst in einer Art depres­si­vem Sumpf steckt, kann man sich die guten Geschich­ten nicht selbst erzäh­len. Des­halb emp­feh­le ich, sie sich von Arbeits­kol­le­gin­nen und Arbeits­kol­le­gen, Freun­den oder von Bekann­ten erzäh­len zu lassen. 

Las­sen Sie das gute Wort durch ande­re spre­chen. Ich per­sön­lich habe immer ein Buch mit Psal­men auf mei­nem Tisch lie­gen. Da rein­zu­schau­en gibt mir Kraft. 

Wie kann man inner­lich eine Pau­se machen und zur Ruhe kom­men, gera­de wenn man sich beruf­lich mit der Stär­kung der Demo­kra­tie befasst?

Jen­seits der Metho­den von Acht­sam­keit und Ent­span­nung emp­feh­le ich, mit Men­schen, denen es ähn­lich geht, zusam­men zu kochen und Zeit zu ver­brin­gen. Aus mei­ner Arbeit mit Geflüch­te­ten habe ich viel von Men­schen aus ande­ren Kul­tu­ren gelernt. Dazu gehört es auch, das Leben anzu­neh­men. Mit­ein­an­der Essen und Wor­te zu tei­len, hal­te ich für ein wirk­lich gutes Pro­gramm. Und auch wenn Sie den­ken, dass muss er ja sagen, emp­feh­le ich das Gebet. 

Die Fra­ge Wie hältst Du es mit der AfD?” spal­tet viel­fach Fami­li­en, Freun­des- oder Kol­le­gen­krei­se. Wie kön­nen über­zeug­te Demokrat*innen auf die AfD-Wähler*innen zuge­hen, ohne die eige­ne Über­zeu­gung aufzugeben?

Es hilft sicher, sei­nem Gegen­über deut­lich zu zei­gen: Ich akzep­tie­re dich als Men­schen. Dann ist es leich­ter zu sagen: Ich leh­ne dei­ne Posi­ti­on ab – oder bes­ser: Ich habe eine ande­re. Und ich will dar­über mit dir reden. Aber ich akzep­tie­re dich als Mensch. Die­se Unter­schei­dung hilft, weil sie uns immer wie­der ins Leben führt. Ich kann Men­schen anneh­men, auch wenn ich das, was sie sagen oder den­ken, über­haupt nicht ver­ste­hen kann. Es ist wich­tig, in den Dia­log zu gehen und immer wie­der ver­ste­hen zu wollen. 

Möch­ten Sie den Men­schen, die sich für Demo­kra­tie ein­set­zen, noch etwas mitgeben?

Herr Zam­pe­ro­ni sagt bei den Tages­the­men zum Schluss immer: Blei­ben Sie zuver­sicht­lich.” Irgend­wie besteht dar­in was Gutes. Eigent­lich toll, dass der uns das jeden Abend wünscht. Das hat ja fast etwas Seg­nen­des in einer säku­la­ren Form. Ich wür­de es so sagen: Sei­en Sie geseg­net oder, wenn Sie das leich­ter hören kön­nen: blei­ben Sie zuver­sicht­lich. Es lohnt sich. 

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Wiebke Gülcibuk

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