Non-Pro­fit-Jour­na­lis­mus

Wir brau­chen eine vier­te Gewalt, die frei ist von Eigeninteressen.“

Inter­view mit Kit­ty von Ber­te­le (Lumi­na­te), Lukas Har­lan (Schöpf­lin Stif­tung) und Ste­pha­nie Reu­ter (Rudolf Aug­stein Stif­tung) über das Poten­zi­al von Non-Pro­fit-Jour­na­lis­mus in Deutsch­land und den neu­en Report über Wir­kungs­me­cha­nis­men und För­der­lo­gi­ken im Bereich des gemein­nüt­zi­gen Journalismus.

Der Report ist kos­ten­frei als Print & eBook erhält­lich. Down­load wei­ter unten auf der Seite.

PHI­NEO: Zum The­ma Non-Pro­fit-Jour­na­lis­mus in Deutsch­land gibt es zahl­rei­che Ver­öf­fent­li­chun­gen. War­um jetzt noch einen wei­te­ren Report? 

Lukas Har­lan: Es braucht eine Über­sicht, die sowohl die Zusam­men­hän­ge und Ent­wick­lun­gen im Sek­tor abbil­det als auch Inves­ti­ti­ons­mög­lich­kei­ten auf­zeigt. Der­zeit bie­tet der Markt nichts, was in Rich­tung Ent­schei­dungs­vor­la­ge geht. Das woll­ten wir ändern! 

Kit­ty von Ber­te­le: Uns allen ist an einer frei­en und leben­di­gen Pres­se­land­schaft gele­gen, und dazu gehört, unab­hän­gi­ge Medi­en zu för­dern. Wir brau­chen eine vier­te Gewalt, die frei ist von Eigen­in­ter­es­sen.

Ste­pha­nie Reu­ter: Genau! Wir ver­fol­gen zwei­er­lei Ansät­ze: Ers­tens möch­ten wir ver­deut­li­chen, wel­ches Poten­zi­al in die­sem Bereich schlum­mert, und zwei­tens wol­len wir die ent­schei­den­den Hebel zei­gen, mit denen sich die­se Poten­zia­le heben lassen. 

"Der Journalismus in Deutschland steht unter Druck!" – Lukas Harlan, Schöpflin Stiftung & Stephanie Reuter, Rudolf Augstein Stiftung
Group
"Gemeinwohlorientierte Angebote setzen wichtige Impulse. Sie experimentieren mit neuen Formen und setzen auf Kollaboration statt Konkurrenz." (rechts im Bild: Florian Hinze, PHINEO)
Stephanie Reuter:
Stephanie Reuter: "Journalistische Unabhängigkeit hat oberste Priorität."
Kitty von Bertele, Luminate:
Kitty von Bertele, Luminate: "Gemeinnütziger Journalismus kann für reichlich Public good sorgen!"

PHI­NEO: War­um braucht es denn über­haupt gemein­nüt­zi­gen Journalismus?

Ste­pha­nie Reu­ter: In Deutsch­land haben wir zwar hoch­wer­ti­gen Jour­na­lis­mus, sowohl von Öffent­lich-Recht­li­chen als auch von Ver­la­gen. Aller­dings steht die­ser immer stär­ker unter Druck. Mit der Digi­ta­li­sie­rung und dem Medi­en­wan­del ver­schärft sich die Finan­zie­rungs­kri­se. Der gemein­nüt­zi­ge Jour­na­lis­mus eröff­net neue Finan­zie­rungs­we­ge und stärkt im bes­ten Fall dadurch unse­re Demo­kra­tie.

Lukas Har­lan: Exakt. Wir beob­ach­ten eine Knapp­heit von Res­sour­cen, weil Geschäfts­mo­del­le nicht mehr funk­tio­nie­ren, und die­se Knapp­heit gefähr­det die Medi­en­viel­falt. Zudem man­gelt es an ziel­grup­pen­ge­rech­ten Ange­bo­ten für die nach­kom­men­den Gene­ra­tio­nen, ins­be­son­de­re an digi­ta­len Ange­bo­ten. Und drit­tens, ich beob­ach­te eine zuneh­men­de Ein­schrän­kung der Informations‑, Mei­nungs- und Pres­se­frei­heit auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne, und auch in Deutsch­land gibt es ent­spre­chen­de Ten­den­zen. All die­sen Ent­wick­lun­gen möch­ten wir aktiv entgegenwirken.

Kit­ty von Ber­te­le: Eine Welt ohne media­le Unab­hän­gig­keit und Plu­ra­li­tät ist anfäl­lig für Kor­rup­ti­on und Auto­ri­ta­ris­mus. Die Öffent­lich­keit misst Medi­en seit eini­ger Zeit immer weni­ger Rele­vanz bei – für eini­ge Regie­run­gen ein Frei­brief, die Pres­se- und Medi­en­frei­heit zu unter­gra­ben. Wir möch­ten, dass Deutsch­land als Umfeld für unab­hän­gi­ge Medi­en flo­riert und eini­gen die­ser inter­na­tio­na­len Trends entgegenwirkt.

PHI­NEO: Wel­che Poten­zia­le bie­tet gemein­nüt­zi­ger Journalismus?

Ste­pha­nie Reu­ter: Aus mei­ner Sicht ist gemein­wohl­ori­en­tier­ter Jour­na­lis­mus der pas­sen­de­re Begriff. Bei die­sem geht es nicht um Gewinn­ma­xi­mie­rung, son­dern um Public Ser­vice: Die Erkennt­nis steht vor etwa­igen Erlö­sen. Gera­de in Berei­chen, in denen wir ein Markt­ver­sa­gen beob­ach­ten – ich den­ke an Inves­ti­ga­tiv- oder Lokal-Jour­na­lis­mus –, sind die­se Ange­bo­te wich­tig. Aber auch, wenn es dar­um geht, Jour­na­lis­mus neu zu den­ken, set­zen gemein­wohl­ori­en­tier­te Ange­bo­te wich­ti­ge Impul­se. Sie expe­ri­men­tie­ren mit neu­en For­men und set­zen auf Kol­la­bo­ra­ti­on statt Kon­kur­renz. Sie recher­chie­ren viel­fach gemein­sam, um Miss­stän­de auf­zu­de­cken. Es gilt, mög­lichst gro­ße Wir­kung zu erzie­len – und Ver­trau­en zurückzugewinnen.

Kit­ty von Ber­te­le: Inves­ti­ga­ti­v­jour­na­lis­mus oder Lokal­nach­rich­ten sind For­ma­te, die klas­sisch gewinn­ori­en­tier­ter Jour­na­lis­mus in den meis­ten Fäl­len nicht mehr finan­zie­ren kann. Gemein­nüt­zi­ger Jour­na­lis­mus kann an die­sen Stel­len für reich­lich Public good“ sor­gen, weil er die Mög­lich­keit bie­tet, ver­schie­de­ne Geschäfts­mo­del­le zu testen!

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PHI­NEO: Stich­wort Finan­zie­rung: Ein oft gehör­tes Argu­ment lau­tet, dass eine Stif­tungs­för­de­rung kei­nes­wegs mehr Unab­hän­gig­keit mit sich bringt.

Ste­pha­nie Reu­ter: Die jour­na­lis­ti­sche Unab­hän­gig­keit hat obers­te Prio­ri­tät. Des­halb för­dert die Rudolf Aug­stein Stif­tung rein struk­tu­rell. Das heißt, wir ver­ge­ben kei­ne Recher­che­för­de­run­gen. Wer das tun möch­te, kann eine Orga­ni­sa­ti­on wie das Netz­werk Recher­che als Fire­wall“ zwi­schen­schal­ten. Das hie­ße: Die Fire­wall-Orga­ni­sa­ti­on sam­melt För­der­gel­der, beur­teilt Bewer­bun­gen unab­hän­gig und finan­ziert dann aus die­sem Topf Pro­jek­te, ohne dass es zu einem direk­ten Geld­fluss zwi­schen einer Stif­tung und einem jour­na­lis­ti­schen Pro­jekt­part­ner kommt. Zudem ist es wich­tig, ein Pro­jekt mög­lichst früh­zei­tig auf eine brei­te Unter­stüt­zer-Basis zu stel­len. Abhän­gig­keits­ver­hält­nis­se zu ver­mei­den, dafür sind nicht nur die Pro­jek­te zustän­dig, das liegt auch in der Ver­ant­wor­tung der Förder*innen.

Lukas Har­lan: Das möch­te ich unter­strei­chen: Die orga­ni­sa­to­ri­sche Unab­hän­gig­keit soll­te mit der jour­na­lis­ti­schen Unab­hän­gig­keit ein­her­ge­hen! Wenn ich als För­de­rer eine Kern­fi­nan­zie­rung leis­te und die mit kei­ner­lei inhalt­li­cher Aus­rich­tung ver­knüp­fe, dann hat das Pro­jekt die kom­plet­te Frei­heit, genau die Geschich­ten zu recher­chie­ren, die es für not­wen­dig hält. Da soll­te man sich als För­de­rer in der Ver­ant­wor­tung sehen, das zu ermög­li­chen.

Kit­ty von Ber­te­le: Eigen­ver­ant­wor­tung und redak­tio­nel­le Unab­hän­gig­keit sind für uns Kern­ele­men­te. Bei von uns geför­der­ten Orga­ni­sa­tio­nen füh­ren wir mit­hil­fe von Drit­ten redak­tio­nel­le Prü­fun­gen durch – die­se die­nen dazu, sicher­zu­stel­len, dass die Akteu­re auf unvor­ein­ge­nom­me­ne Art und Wei­se berich­ten.

PHI­NEO: Wor­an erkennt ihr, ob ein Pro­jekt wirkt“?

Lukas Har­lan: Da gibt es zwei Ebe­nen, ein­mal die Wir­kun­gen inner­halb der Orga­ni­sa­ti­on und ein­mal außer­halb, also in die Gesell­schaft hin­ein. Auf orga­ni­sa­tio­na­ler Ebe­ne heißt das, ein Out­put oder Out­co­me ist erreicht, wenn die Pro­jek­te grö­ßer wer­den, einen neu­en Stand­ort auf­ma­chen, das gesam­te Pro­jekt sta­bi­ler und nach­hal­ti­ger finan­ziert ist. Die Errei­chung soge­nann­ter Mei­len­stei­ne also. Und nach außen hin heißt das, wie gut ist die Bericht­erstat­tung, wie erfolg­reich sind Koope­ra­tio­nen, wel­che The­men wer­den durch inves­ti­ga­ti­ve Recher­chen aufs Tableau geho­ben, gab es auf­grund der Recher­chen Aus­wir­kun­gen auf Gesetz­ge­bung. Orga­ni­sa­tio­nen mit För­de­r­er­fah­rung neh­men die­se bei­den Ebe­nen glei­cher­ma­ßen in den Blick.

PHI­NEO: Was sind denn die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen, und wo ste­hen sich die die Akteu­re womög­lich selbst auf den Füßen?

Ste­pha­nie Reu­ter: Der­zeit gibt es schlicht zu wenig För­de­rung. Das führt dazu, dass teils groß­ar­ti­ge Ideen nicht umge­setzt wer­den kön­nen. Ich spre­che jedoch nicht nur von finan­zi­el­ler För­de­rung. Es gibt auch Bedarf an Coa­ching und Men­to­ring. Schließ­lich haben wir es häu­fig mit sehr enga­gier­ten Journalist*innen zu tun, die grün­den. Die­se benö­ti­gen auch Busi­ness-Kom­pe­ten­zen. Inku­ba­tor- und Acce­le­ra­tor-Pro­gram­me kön­nen hier hel­fen. Doch für Journalist*innen gibt es bis dato nur weni­ge sol­cher Ange­bo­te. Auch Netz­werk­ak­teu­re, die das Feld ins­ge­samt stär­ken und sich für bes­se­re recht­li­che Rah­men­be­din­gun­gen ein­set­zen, wären hilf­reich. Vor­bild könn­te das Insti­tu­te for Non­pro­fit News aus den USA sein.

Lukas Har­lan: Dafür, dass so wenig Geld da ist und man häu­fig auf Hilfs­kon­struk­tio­nen aus­wei­chen muss, ist vie­les erstaun­lich sta­bil. Auf­grund der Rechts­la­ge sind Pro­jek­te der­zeit gezwun­gen, über Umwe­ge Ein­nah­men zu erzie­len, indem sie etwa Bil­dungs­ar­beit leis­ten, was ihnen zur Gemein­nüt­zig­keit ver­hilft. Will man das nicht, ist das natür­lich Irr­sinn: Du willst eigent­lich jour­na­lis­tisch arbei­ten, musst dich aber um Bil­dungs­ar­beit küm­mern – was wert­vol­le Res­sour­cen frisst und dich von dei­ner Mis­si­on entfernt.

PHI­NEO: Was könn­ten die Akteu­re selbst bei­tra­gen, damit sich das Feld entwickelt?

Lukas Har­lan: Ich wür­de eine stär­ke­re Ver­net­zung anre­gen, also dafür sor­gen, dass der Sek­tor mit einer Stim­me spricht und so im poli­ti­schen Raum einen grö­ße­ren Impact erreicht.

Kit­ty von Ber­te­le: Ich glau­be, es bräuch­te eine stär­ke­re Zusam­men­ar­beit zwi­schen den Akteu­ren, um Ideen, Inno­va­tio­nen und Infra­struk­tur gemein­sam zu nut­zen. Förder*innen könn­ten für sol­che Koope­ra­tio­nen Anrei­ze schaf­fen, natür­lich in Part­ner­schaft mit den Orga­ni­sa­tio­nen, die die Arbeit machen.

Das Inter­view stammt aus dem Report Non-Pro­fit-Jour­na­lis­mus in Deutsch­land – Wir­kungs­lo­gi­ken, Qua­li­täts­kri­te­ri­en und Tipps für Förder*innen”.

Wenn Sie Fragen haben:

Florian Hinze

Leitung SKala-CAMPUS
+49 30 520 065 327
florian.hinze@phineo.org