Non-Pro­fit-Jour­na­lis­mus

Wir­kungs­mes­sung im gemein­nüt­zi­gen Journalismus

Für den Report Non-Pro­fit-Jour­na­lis­mus in Deutsch­land haben wir unter­sucht, anhand wel­cher Kri­te­ri­en gemein­nüt­zi­ge jour­na­lis­ti­sche Pro­jek­te erken­nen, ob und inwie­fern sie mit ihrer Arbeit eine gesell­schaft­li­che Wir­kung erzielen. 

Ergeb­nis: In der All­tags­pra­xis bewer­ten jour­na­lis­ti­sche Pro­jek­te ihre Rele­vanz haupt­säch­lich auf Grund­la­ge von 

  • Reich­wei­te,
  • Sicht­kon­tak­ten und 
  • Klick­zah­len.

Im Sin­ne des­sen, wie gesell­schaft­li­che Wir­kung defi­niert wird, sind die­se Para­me­ter jedoch kei­ne Wir­kungs­in­di­ka­to­ren. Viel­mehr zei­gen sol­che Para­me­ter wie Reich­wei­te, Sicht­kon­tak­te und Klicks ledig­lich an, dass ein jour­na­lis­ti­sches Ange­bot die Ziel­gruppen über­haupt erreicht, dass die Ziel­grup­pen das Ange­bot wahr­neh­men.

Um Wir­kun­gen zu bele­gen, sind sol­cher­art Out­puts aller­dings unge­eig­net. Viel­mehr braucht es spe­zi­el­le Out­co­me-Indi­ka­to­ren – Wir­kungs­in­di­ka­to­rendie die Ver­än­de­run­gen bei den Ziel­grup­pen ver­an­schau­li­chen. Die­se Indi­ka­to­ren betrachten …

  • sowohl die Ent­wick­lung des Pro­jekts („Was hat sich bei den Akteu­ren bzw. im Pro­jekt selbst ver­än­dert?”) als auch 
  • die Ent­wick­lung bei den Ziel­grup­pen („Was hat das Pro­jekt bei sei­nen Ziel­grup­pen bzw. in der Öffent­lich­keit erreicht?”). 

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    Aber Ach­tung: Gesell­schaft­li­che Wir­kung ist nie mono­kau­sal, son­dern sie wird stets durch vie­le Fak­to­ren begüns­tigt. Und: Eine irgend­wie mess­ba­re Wir­kung stellt nicht zwin­gend das bes­te Ergeb­nis für die Gesell­schaft dar, dazu wei­ter unten. 

    Im Übri­gen soll­te bei allem Sinn für effek­ti­ve Arbeits- und För­der­struk­tu­ren kei­nes­wegs aus dem Blick gera­ten, dass es im Jour­na­lis­mus vor allem um Inhal­te und redak­tio­nel­le Frei­heit geht. Wer nur auf Wir­kung schielt, wählt womög­lich The­men und Pro­jek­te, die sich spä­ter gut bewer­ten oder ver­mark­ten lassen. 

    Eine hohe Erfolgs­wahr­schein­lich­keit soll­te daher kein aus­schlag­ge­ben­des Kri­te­ri­um dafür sein, ein jour­na­lis­ti­sches Pro­jekt zu unter­stüt­zen, viel­mehr kommt es z.B. dar­auf an, ver­nach­läs­sig­te Ziel­grup­pen in den Fokus zu neh­men oder Nischen­the­men zu beset­zen. Über­dies kann das Wir­kungs­ziel eines Pro­jekts schlicht im Erhalt des Sta­tus quo lie­gen, z.B. kann die all­täg­li­che Bericht­erstat­tung aus dem Gemein­de­rat durch­aus Kor­rup­ti­on und Geld­ver­schwen­dung vor­beu­gen. (Eine umfas­se­ne Ana­ly­se über News Deserts in den USA fin­det sich hier …)

    Die
    Die "Wirkungstreppe": Die Stufen 1-3 spiegeln wider, welche Outputs ein Projekt hat. Die 3 untersten Stufen bilden die Grundlage dafür, dass auf Stufe 4 eine erste Wirkung auf Ebene der Zielgruppen erreicht werden kann. Stufe 7 ist der gesellschaftliche Impact, er ergibt sich erst, wenn Wirkungen auf Ebene der Zielgruppen feststellbar sind.

    Die nach­fol­gen­de Lis­te gibt einen Über­blick über rele­van­te Wir­kungs-Indi­ka­to­ren im Non-Pro­fit-Jour­na­lis­mus, abge­stuft im Sin­ne der Wir­kungs­trep­pe. Ange­sichts der Pro­jekt­viel­falt im Non-Pro­fit-Jour­na­lis­mus lie­fert sie allen­falls ers­te Ideen, wie man zu Wir­kungs­in­di­ka­to­ren gelan­gen kann. Und, wie gesagt: Wir­kun­gen zei­gen sich erst ab Stu­fe 4.

    Zum Ter­mi­nus Ziel­grup­pen”: Ziel­grup­pen kön­nen Leser*innen sein, bestimm­te Teil­ziel­grup­pen inner­halb der Leser­schaft („Leser*innen im Seg­ment 30 – 50 Jah­re”), poli­ti­sche Entscheidungsträger*innen, Insti­tu­tio­nen etc. oder aber auch: Volontär*innen, Aus­zu­bil­den­de, Kooperationspartner*innen.

    Out­put-Indi­ka­to­ren

    Stu­fe 1 – Akti­vi­tä­ten fin­den wie geplant statt 

    • Anzahl der ver­öf­fent­lich­ten Arti­kel und Recherchen 
    • Anzahl der unter­stüt­zen­den Leis­tun­gen, die bspw. für die teil­neh­men­den Journalist*innen erbracht wur­den, etwa Schu­lun­gen etc. 

    Stu­fe 2 – Ziel­grup­pen wer­den erreicht 

    • Reich­wei­te und klas­si­sche Medi­en­da­ten wie Auf­la­ge, Sicht­kon­tak­te etc. 
    • Anzahl der Teil­neh­men­den einer Qualifizierungs­maßnahme, Ver­an­stal­tung, Dis­kus­si­ons­run­de etc. 

    Stu­fe 3 – Ziel­grup­pen akzep­tie­ren das Angebot 

    • Spe­zi­el­le Medi­en­da­ten, z.B. Ver­weil­dau­er der Leser*innen, Wan­de­rungs­be­we­gun­gen; Anzahl von Zitie­run­gen und Quell­nen­nun­gen durch Dritte 
    • Zufrie­den­heit der Projektteilnehmer*innen mit einer erbrach­ten Leis­tung, etwa einer Weiterbildung 

    Out­co­me-Indi­ka­to­ren (Wir­kungs­in­di­ka­to­ren)

    Stu­fe 4 – Ziel­grup­pen ver­än­dern Bewusst­sein bzw. Fähigkeiten 

    • Ziel­grup­pen erlan­gen neu­es Wis­sen zu einem Sach­verhalt; fest­stell­bar z.B. über Anzahl von Zitie­run­gen, qua­li­ta­ti­ves Feed­back etc. 
    • Ziel­grup­pen ändern ihre Ein­stel­lung gegen­über einem Sach­ver­halt; fest­stell­bar z.B. über Häu­fig­keit sowie Qua­li­tät unmit­tel­ba­rer Reak­tio­nen Drit­ter, etwa in Stel­lung­nah­men, Kom­men­ta­ren etc. 

    Stu­fe 5 – Ziel­grup­pen ändern ihr Handeln 

    • Ziel­grup­pen ver­brei­ten Infor­ma­tio­nen, z.B. Anzahl von Shares, Ret­weets und Zitierungen 
    • Anzahl und Qua­li­tät von Inter­ak­tio­nen sei­tens der Ziel­grup­pen, ins­be­son­de­re erwünsch­ter Inter­ak­tio­nen und Hand­lun­gen, z.B. Anzahl abge­schlos­se­ner Abon­nements, Anzahl der Klicks, Anzahl und Qua­li­tät der Kom­men­ta­re (vie­le kon­tro­ver­se Kom­men­ta­re kön­nen ein Indi­ka­tor dafür sein, dass eine Debat­te ange­sto­ßen wur­de), Anzahl Zeichner*innen einer Peti­ti­on, Anzahl der Per­so­nen, die bei einer Recher­che mit­hel­fen, Anzahl der­je­ni­gen, die ihr Wis­sen zur Ver­fü­gung stellen
    • Ziel­grup­pen koope­rie­ren, z.B. Anzahl von Koopera­tionen, die infol­ge von Recher­chen geschlos­sen wurden
    • Ziel­grup­pen stel­len ein schäd­li­ches Ver­hal­ten ab, z.B. Anzahl der Per­so­nen, die sel­te­ner das Flug­zeug nut­zen, Anzahl der Per­so­nen, die eine Selbst­an­zei­ge beim Finanz­amt ein­rei­chen, Behör­den, die eine schäd­liche Ver­wal­tungs­pra­xis ändern etc. 

    Stu­fe 6 – Lebens­la­ge der Ziel­grup­pen ändert sich 

    • Pro­zent­satz der im Pro­jekt betei­lig­ten Journalist*in­nen, deren Ein­kom­men sich erhöht hat 
    • bes­se­res Gesamt­stan­ding eines Pro­jekts, im Sin­ne einer sta­bi­le­ren Finan­zie­rung und eines gerin­ge­ren Auf­wands für jour­na­lis­mus­frem­de Tätig­kei­ten wie Fundrai­sing und Controlling 

    Stu­fe 7 – Gesell­schaft ver­än­dert sich 

    • Bele­ge für Agen­da­set­ting, Beein­flus­sung eines öffent­li­chen Dis­kur­ses oder poli­ti­sche Mobi­li­sie­rung, z.B. wird ein Argu­ment in For­de­rungs­ka­ta­lo­gen zitiert, in poli­ti­schen Pro­gram­men auf­ge­grif­fen, in Koalitions­verträgen genannt, bis hin zu Gesetzesänderungen 

    Bei­spie­le

    Zie­le & Indikatoren

    Die Lis­te lie­ße sich belie­big fort­füh­ren; hier sind Know-how und Krea­ti­vi­tät gefragt. Als sinn­voll hat sich erwie­sen, wenn Förder*innen und Pro­jekt­team gemein­sam Zie­le und Indi­ka­to­ren ent­wi­ckeln. Die­se sind dann nicht nur deut­lich fun­dier­ter, son­dern genie­ßen auch eine höhe­re Akzep­tanz bei allen Betei­lig­ten – was wich­tig ist für die Wir­kungs­ana­ly­se.

    Ent­schei­dend ist dabei, dass die Förder*in und das jour­na­lis­ti­sche Pro­jekt tat­säch­lich die­sel­ben lang­fris­ti­gen gesell­schaft­li­chen Zie­le ver­fol­gen. So nahe­lie­gend das klingt, zeigt die Erfah­rung, dass För­der­part­ner* innen häu­fig v.a. ein­zel­ne Maß­nah­men und Ange­bo­te mit­ein­an­der abstim­men (Stu­fen 1 – 3), die lang­fris­ti­gen Wir­kun­gen aber unter­schied­lich ver­stan­den werden. 

    Es lohnt sich daher, die För­de­rung von ihrem Ende her zu den­ken: Was möch­ten Förder*in und Pro­jekt miteinan­der auf gesell­schaft­li­cher Ebe­ne bewir­ken? – und dar­aus dann Maß­nah­men und Ange­bo­te abzuleiten.

    Übri­gens: Eine Wir­kung von Non-Pro­fit-Jour­na­lis­mus kann auch dar­in bestehen, dass eine Infor­ma­ti­on nicht ver­brei­tet wird – etwa, weil sie sich als falsch her­aus­ge­stellt hat – oder dass ein Sta­tus quo erhal­ten bleibt, also etwa eine geplan­te Geset­zes­än­de­rung nicht zustan­de kommt, weil sie Rech­te von Min­der­hei­ten ein­schränkt etc. 

    Der Begriff der Wir­kung bedeu­tet also im Jour­na­lis­mus keines­wegs zwin­gend, dass sich ein Zustand ver­än­dern muss.

      Und in der Praxis?

      Im Report Non-Pro­fit-Jour­na­lis­mus in Deutsch­land stel­len wir 20 inspi­rie­ren­de Orga­ni­sa­tio­nen und Pro­jek­te aus dem Bereich des gemein­nüt­zi­gen Jour­na­lis­mus vor, die in beson­de­rem Maße gesell­schaft­li­che Wir­kung erzielen. 

      Außer­dem lie­fert der Report Hin­wei­se dar­auf, wie das Öko­sys­tem Non-Pro­fit-Jour­na­lis­mus” funk­tio­niert, wel­chen Hand­lungs­lo­gi­ken es folgt, wie sich gesell­schaft­li­che Impacts fest­stel­len las­sen und an wel­chen Stel­len sich Förder*innen gezielt ein­brin­gen können. 

      Der Report ist kos­ten­frei als Print & eBook ver­füg­bar. Er ent­stand in Zusam­men­ar­beit mit Lumi­na­te, der Schöpf­lin Stif­tung, der Rudolf Aug­stein Stif­tung und dem BMFSFJ.