Sta­bil gegen Des­in­for­ma­ti­on und Hate Speech: Wege zu einer resi­li­en­ten digi­ta­len Demokratie

PHINEO-Redaktion,
26.03.2025

Wie kön­nen wir digi­ta­le Räu­me ver­ant­wor­tungs­vol­ler und siche­rer gestal­ten? Wel­che Rol­le spie­len Zivil­ge­sell­schaft, For­schung und Poli­tik für eine wider­stands­fä­hi­ge ver­netz­te Gesell­schaft? Ben­ja­min Fischer, Exper­te für digi­ta­le Demo­kra­tie, spricht über aktu­el­le geo­po­li­ti­sche Her­aus­for­de­run­gen, wir­kungs­vol­le Lösungs­an­sät­ze und not­wen­di­ge euro­päi­sche Maß­nah­men zur Begeg­nung von Des­in­for­ma­ti­on und Hass im Netz.

Ben­ja­min Fischer enga­giert sich für digi­ta­le Resi­li­enz und Min­der­hei­ten­rech­te. Er berät gemein­nüt­zi­ge Orga­ni­sa­tio­nen im Fund­rai­sing und Chan­ge Manage­ment. Als Pro­gramm­di­rek­tor der Alfred Lan­de­cker Foun­da­ti­on war er am Auf­bau von Initia­ti­ven wie CeMAS, Hate­Aid und Deco­ding Antisemitism betei­ligt. (Foto: Alfred Lan­de­cker Foundation)

Ben­ny, wie bist du zum The­ma digi­ta­le Demo­kra­tie gekommen?

Mein Berufs­ein­stieg war 2015 als Prä­si­dent der Euro­pean Uni­on of Jewish Stu­dents (EUJS) in Brüs­sel. In die­ser Zeit nahm die Regu­lie­rung digi­ta­ler Platt­for­men in Euro­pa Fahrt auf – von der Daten­schutz-Grund­ver­ord­nung (DSGVO) bis zum Ver­hal­tens­ko­dex gegen Hass­re­de der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on. Damals fiel mir auf, dass poli­ti­sche Maß­nah­men oft auf sub­jek­ti­ven Ein­drü­cken beruh­ten, statt auf belast­ba­ren Daten. Doch ohne Daten bleibt Regu­lie­rung vage.

Gleich­zei­tig gab es – und ich wür­de behaup­ten, gibt es bis heu­te noch – in der Zivil­ge­sell­schaft zwei Lager: Auf der einen Sei­te ste­hen Orga­ni­sa­tio­nen, die sich auf eine Netz­kul­tur“ beru­fen und ein frei­es, unre­gu­lier­tes Inter­net ver­tei­di­gen, auf der ande­ren Sei­te Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen, die sich für Min­der­hei­ten­schutz und zuneh­mend auch für digi­ta­le Sicher­heit ein­set­zen. Die­se Span­nung hat mich dazu gebracht, mich auf die Schnitt­stel­le von Tech­no­lo­gie und Bür­ger­rech­ten zu spezialisieren.

Spä­ter habe ich für ver­schie­de­ne NGOs gear­bei­tet und eine Abtei­lung für digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on in einem Wohl­fahrts­ver­band auf­ge­baut. Dabei wur­de mir klar: Digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on ist mehr als die Digi­ta­li­sie­rung ana­lo­ger Pro­zes­se. Sie muss lang­fris­ti­ge Sta­bi­li­tät schaf­fen und sicher­stel­len, dass nie­mand abge­hängt wird. 2020 wech­sel­te ich zur Alfred Lan­de­cker Foun­da­ti­on, um Pro­jek­te wie Deco­ding Anti­se­mi­tism und CeMAS mit auf­zu­bau­en. Heu­te arbei­te ich frei­be­ruf­lich mit Fokus auf Digi­ta­le Resi­li­enz und Chan­ge Management.

Was bedeu­tet digi­ta­le Resilienz?

Mit Digi­ta­ler Resi­li­enz mei­ne ich den Grad, zu wel­chem eine Gesell­schaft durch Tech­no­lo­gie her­vor­ge­ru­fe­ne Her­aus­for­de­run­gen sou­ve­rän bewäl­ti­gen kann – von Hass­nach­rich­ten über Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gien bis hin zu geziel­ten Des­in­for­ma­ti­ons­kam­pa­gnen. Sie umfasst ver­schie­de­ne Aspek­te: den bewuss­ten Umgang mit digi­ta­len Tech­no­lo­gien, Schutz vor Cyber­an­grif­fen, kri­ti­sche Medi­en­kom­pe­tenz sowie ins­ge­samt die Fähig­keit, sich an tech­no­lo­gi­sche Ver­än­de­run­gen anzu­pas­sen. Ein wei­te­rer wich­ti­ger Punkt ist die digi­ta­le Selbst­be­stim­mung, also die Kon­trol­le über die eige­nen Daten und Iden­ti­tä­ten im Netz. 

Das Kon­zept der Digi­ta­len Resi­li­enz haben Rapha­el von Aulock und ich 2022 bei Lan­de­cker als Hand­lungs­stra­te­gie ent­wi­ckelt, um die vie­len unter­schied­li­chen För­der­pro­jek­te stra­te­gisch fas­sen und eva­lu­ie­ren zu kön­nen. Dabei haben wir uns einen in der Zukunft lie­gen­den Ide­al­zu­stand vor­ge­stellt und ver­sucht, rück­bli­ckend zu über­le­gen, wel­che Initia­ti­ven jetzt ange­sto­ßen wer­den müs­sen, um die­sen Punkt zu errei­chen. Beson­ders wich­tig war uns des­halb, pro­ak­ti­ve Hand­lungs­stra­te­gien zu iden­ti­fi­zie­ren und zu fördern. 

Wenn wir bis 2050 eine digi­tal resi­li­en­te Gesell­schaft sein wol­len, müs­sen wir heu­te die rich­ti­gen Wei­chen stellen.“

Ben­ja­min Fischer

Wel­che Her­aus­for­de­run­gen siehst du auf die­sem Weg?

Oft grei­fen zivil­ge­sell­schaft­li­che For­de­run­gen zu kurz oder sind unrea­lis­tisch. Die Idee eines Inter­nets frei von Hass“ klingt zwar wün­schens­wert, doch das Netz ist ein Dis­kurs­raum – und Irri­ta­tio­nen gehö­ren dazu. Die ent­schei­den­de Fra­ge ist nicht, wie wir sie ganz los­wer­den, son­dern wie wir sie hand­ha­ben. Gleich­zei­tig stellt sich die Fra­ge, wie wir digi­ta­le Räu­me so gestal­ten, dass sie nicht nur wirt­schaft­lich effi­zi­ent, son­dern auch gesell­schaft­lich gerecht sind.

Ein wei­te­res gro­ßes The­ma sind aus­län­di­sche Ein­fluss­nah­men. Demo­kra­tien wer­den gezielt mit Influence Ope­ra­ti­ons unter­wan­dert, um poli­ti­sche Pro­zes­se zu mani­pu­lie­ren. Zudem gibt es ein struk­tu­rel­les Pro­blem in der Arbeit gegen Des­in­for­ma­ti­on und Hass im Netz: Vie­le NGOs betrei­ben Moni­to­ring, sam­meln wert­vol­le Daten und ver­öf­fent­li­chen Berich­te. Doch die Her­aus­for­de­rung besteht heu­te dar­in, die­se Erkennt­nis­se auch nutz­bar zu machen und sta­bi­le Struk­tu­ren für digi­ta­le Resi­li­enz aufzubauen. 

Es gibt eini­ge Orga­ni­sa­tio­nen, die hier sehr gute Arbeit leis­ten, wie zum Bei­spiel CeMAS, das For­schungs­zen­trum für Infor­ma­tik (FZI) und als inter­na­tio­na­ler Play­er das Insti­tu­te for Stra­te­gic Dia­lo­gue (ISD). Sie bera­ten inzwi­schen Regie­run­gen auf Basis die­ser Daten. Aber die grö­ße­re Fra­ge ist noch unge­löst: Wer trägt die­se Arbeit lang­fris­tig? Und wie schaf­fen wir eine trag­fä­hi­ge Infra­struk­tur, die die­sen Bereich nach­hal­tig unterstützt?

Wie ist die Lage in Deutsch­land und Europa?

Die Situa­ti­on in Deutsch­land wird von der geo­po­li­ti­schen Situa­ti­on maß­geb­lich beein­flusst. Platt­for­men haben in den letz­ten Jah­ren mas­siv in Trust & Safe­ty”, also Ver­trau­en und Sicher­heit inves­tiert, doch mit dem Erstar­ken auto­ri­tä­rer Kräf­te und wirt­schaft­li­chem Druck neh­men sie die­se Inves­ti­tio­nen wie­der zurück.

Euro­pa hat zwar regu­la­to­ri­sche Fort­schrit­te gemacht – etwa mit dem Digi­tal Ser­vices Act (DSA) und dem Digi­tal Mar­kets Act (DMA) – doch die­se Rege­lun­gen kamen spät. Trump hat bereits ange­droht, Straf­zöl­le gegen die EU zu ver­hän­gen, wenn die­se Maß­nah­men voll in Kraft tre­ten. Das zeigt, wie fra­gil die­se Fort­schrit­te sind.

Gleich­zei­tig müs­sen wir uns fra­gen, ob es so etwas wie tech­no­lo­gi­sche Sou­ve­rä­ni­tät in Euro­pa oder Deutsch­land gibt. Die ernüch­tern­de Ant­wort: Nein. Statt neue Best Prac­ti­ces zu eta­blie­ren, ste­hen wir aktu­ell eher vor einem Rück­schritt. Euro­pa kom­men­tiert digi­ta­le Ent­wick­lun­gen oft nur – statt sie aktiv zu gestalten.

Was muss jetzt geschehen?

Ein Fort­schritt der letz­ten Jah­re ist, dass netz­po­li­ti­sche Debat­ten zuneh­mend evi­denz­ba­siert, d.h. auf Basis von ver­läss­li­chen Daten, nach­weis­ba­ren Fak­ten und wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen geführt wer­den. Das liegt dar­an, dass Moni­to­ring-Struk­tu­ren geschaf­fen wur­den, die ver­läss­li­che Daten­grund­la­gen lie­fern. Die­se Struk­tu­ren müs­sen gesi­chert und aus­ge­baut wer­den. Der Zugang zu Daten für die For­schung soll­te erleich­tert werden.

Ein wei­te­rer wich­ti­ger Ansatz ist das pra­xis­na­he Ver­ständ­nis digi­ta­ler Platt­for­men. Initia­ti­ven, die Mecha­nis­men sozia­ler Netz­wer­ke nach­bau­en, um sie bes­ser zu ana­ly­sie­ren, sind viel­ver­spre­chend und soll­ten aus­ge­baut wer­den. Gleich­zei­tig braucht es ein real­po­li­ti­sches Ver­ständ­nis in der For­schung: Geschäfts­in­ter­es­sen müs­sen in poli­ti­sche Model­le ein­be­zo­gen wer­den, auch wenn dies dem akti­vis­ti­schen Selbst­ver­ständ­nis vie­ler zivil­ge­sell­schaft­li­cher Akteu­re widerspricht.

In der Zivil­ge­sell­schaft und der For­schung gibt es oft eine Spal­tung zwi­schen netz­po­li­ti­schen Akteu­ren, die ein frei­es Inter­net for­dern, und sol­chen, die für ein hass­frei­es Inter­net ein­tre­ten. Bei­de Posi­tio­nen sind berech­tigt, doch sie müs­sen für poli­ti­sche For­de­run­gen zusam­men­ge­führt wer­den – ins­be­son­de­re, weil die Ent­schei­dun­gen letzt­lich von Akteu­ren mit Geschäfts­in­ter­es­sen getrof­fen wer­den. Wer eine Alter­na­ti­ve zum bestehen­den Sys­tem will, muss nicht nur Kon­zep­te ent­wer­fen, son­dern auch funk­tio­nie­ren­de Lösun­gen ent­wi­ckeln.” Ben­ja­min Fischer

Vie­le NGOs haben in den letz­ten Jah­ren groß­ar­ti­ge Arbeit geleis­tet. Der Markt ist voll mit Expert*innen, die fun­dier­tes Wis­sen haben – doch oft fehlt es an Struk­tu­ren, um die­ses Wis­sen in poli­ti­sche Pro­zes­se einzubringen.

Des­halb muss sich die Zivil­ge­sell­schaft unab­hän­gi­ger von staat­li­cher Unter­stüt­zung machen. Ein viel­ver­spre­chen­der staat­li­cher Ansatz ist der Sove­reign Tech-Gedan­ke: Damit wer­den in Euro­pa gezielt Open-Source-Tech­no­lo­gien geför­dert, um ein nach­hal­ti­ges digi­ta­les Öko­sys­tem auf­zu­bau­en. Stif­tun­gen soll­ten dies im Blick behalten.

Wel­che Rol­le spie­len ande­re Akteu­re neben der Zivilgesellschaft?

Hier haben vor allem zwei Akteu­re eine zen­tra­le Rol­le: Ers­tens die gro­ßen Platt­for­men selbst, die ver­ste­hen müs­sen, dass Sicher­heit auf ihren Platt­for­men kein poli­ti­sches The­ma ist, son­dern ein essen­zi­el­ler Bestand­teil ihres eige­nen Geschäftsmodells.

Zwei­tens sind es phil­an­thro­pi­sche Orga­ni­sa­tio­nen bzw. die Unter­neh­men dahin­ter. In den letz­ten zehn Jah­ren war es oppor­tun, sich mit The­men wie Hass im Netz und der Dis­kri­mi­nie­rung von Min­der­hei­ten aus­ein­an­der­zu­set­zen. In den kom­men­den Jah­ren wird es das nicht mehr sein – aber gera­de des­halb umso not­wen­di­ger. Jetzt zeigt sich, wer die­se The­men wirk­lich ernst nimmt und wer bis­her nur sym­bo­li­sche Bekennt­nis­se abge­ge­ben hat.

Wel­che Stra­te­gien gegen Des­in­for­ma­ti­on funktionieren?

Vie­le Ansät­ze sind reak­tiv: Eine Falsch­in­for­ma­ti­on ver­brei­tet sich, und erst danach wird ver­sucht, sie zu kor­ri­gie­ren. Das Pro­blem dabei ist, dass Des­in­for­ma­ti­on oft schnel­ler wirkt als ihre Rich­tig­stel­lung. Des­halb braucht es ergän­zend prä­ven­ti­ve Stra­te­gien, ins­be­son­de­re durch Bil­dungs­ar­beit. For­schungs­pro­jek­te in Oxford und Cam­bridge haben gezeigt, dass soge­nann­te Pre­bun­king-Kam­pa­gnen – also geziel­te Auf­klä­rung über Mani­pu­la­ti­ons­tech­ni­ken – Men­schen dabei hel­fen, Des­in­for­ma­ti­on früh­zei­tig zu erken­nen. Ein Bei­spiel dafür ist Goog­le Jig­saw, das mit You­Tube-Wer­be­spots Men­schen vor Wah­len sen­si­bi­li­sier­te und damit mess­ba­re Effek­te erziel­te. Wäh­rend mei­ner Zeit bei Lan­de­cker haben wir sowohl For­schung dazu als auch meh­re­re Kam­pa­gnen unter­stützt und mitgestaltet. 

Neben der Prä­ven­ti­on sind auch eine schnel­le­re Erfas­sung und bes­se­re Koor­di­na­ti­on auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne ent­schei­dend. In Euro­pa erschwe­ren Sprach­bar­rie­ren, unter­schied­li­che Begrif­fe und Her­an­ge­hens­wei­sen die schnel­le koor­di­nier­te Iden­ti­fi­ka­ti­on von Des­in­for­ma­ti­ons­kam­pa­gnen. Hier set­zen Pro­jek­te wie die Alli­ance for Euro­pe und die Dis­arm Foundation an. Sie ent­wi­ckel­ten ein stan­dar­di­sier­tes Frame­work zur Erken­nung grenz­über­schrei­ten­der Des­in­for­ma­ti­on, ähn­lich dem WHO-Modell zur Krank­heits­über­wa­chung. Dadurch konn­ten Erfas­sungs- und Reak­ti­ons­zei­ten erheb­lich ver­kürzt werden.

Aktu­ell über­neh­men NGOs vie­le Auf­ga­ben, die eigent­lich in staat­li­cher Ver­ant­wor­tung lie­gen soll­ten. Aber staat­li­che Stel­len bau­en zuneh­mend eige­ne Moni­to­ring-Kapa­zi­tä­ten auf. Eine effek­ti­ve Stra­te­gie gegen Des­in­for­ma­ti­on erfor­dert sek­tor­über­grei­fen­de Koope­ra­ti­on – For­schung, Zivil­ge­sell­schaft und Poli­tik müs­sen noch enger zusam­men­ar­bei­ten, um digi­ta­le Resi­li­enz nach­hal­tig zu stär­ken. Prä­ven­ti­ve Auf­klä­rung und eine schnel­le­re Erken­nung inter­na­tio­na­ler Kam­pa­gnen sind essen­zi­ell, denn ange­sichts der Mas­se an Des­in­for­ma­ti­on reicht ein rein reak­ti­ver Ansatz nicht aus.

Wie schätzt du Maß­nah­men der Regu­lie­rung von Des­in­for­ma­ti­on und Hass­re­de durch Geset­ze ein?

Den regu­la­to­ri­schen Ansatz fin­de ich super – er ist aller­dings auch eine gro­ße Her­aus­for­de­rung. Zunächst gibt es einen wich­ti­gen Unter­schied zwi­schen Des­in­for­ma­ti­on und Mis­in­for­ma­ti­on. Des­in­for­ma­ti­on ist die absicht­li­che Ver­brei­tung fal­scher Infor­ma­tio­nen zur Täu­schung oder Mani­pu­la­ti­on, wäh­rend Mis­in­for­ma­ti­on unbe­ab­sich­tigt ent­steht und ver­brei­tet wird. Bei Des­in­for­ma­ti­on muss also eine Absicht nach­ge­wie­sen wer­den. Das ist sys­te­misch schwie­rig. Des­in­for­ma­ti­ons­kam­pa­gnen sind oft so ange­legt, dass es schwer ist, die ursprüng­li­che Quel­le zurückzuverfolgen. 

Außer­dem: Wer ent­schei­det, was als Des­in­for­ma­ti­on gilt und wer über­prüft das? Um eine Meta­pher zu ver­wen­den: Wenn die Ent­schei­dung dar­über, was gefähr­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on ist, als Ham­mer dar­ge­stellt wür­de, dann könn­te das poli­ti­sche Tages­ge­sche­hen schnell dazu füh­ren, dass jede unlieb­sa­me Kri­tik zum Nagel wird. Tei­le des Netz­werk­duch­set­zungs­ge­set­zes (NetzDG) und des Digi­tal Ser­vices Act (DSA) wur­den etwa in ande­ren Län­dern kopiert und ein­ge­setzt, um die freie Mei­nungs­äu­ße­rung ein­zu­däm­men – soweit darf es nicht kom­men. Des­halb ist es so wich­tig, sol­che Struk­tu­ren unab­hän­gig zu hal­ten. Was den Dis­arm-Frame­work so beson­ders macht, ist die Bin­dung an inter­na­tio­na­le Insti­tu­tio­nen und Regie­run­gen, ohne, dass die­sen die Mög­lich­keit erüb­rigt wird, das poli­ti­sche Tages­ge­sche­hen hier­über zu beeinflussen. 

Ein inter­es­san­tes Bei­spiel für Best Prac­ti­ces im Kampf gegen Hass­re­de durch Ein­fluss­nah­me auf Poli­tik und Straf­ver­fol­gung kommt von der Uni­ver­si­ty of Car­diff und dem Hate Lab, das hier her­vor­ra­gen­de Arbeit geleis­tet hat. Ins­be­son­de­re Pro­fes­sor Matthew Wil­liams und sein Team haben bahn­bre­chen­de For­schung auf die­sem Gebiet betrie­ben. Ihre Erkennt­nis­se und deren Anwen­dung sind nach wie vor eine sehr ver­trau­ens­wür­di­ge Quel­le, um sol­che The­men bes­ser zu ver­ste­hen und prak­ti­sche Lösun­gen zu entwickeln.

Wie kann lang­fris­tig digi­ta­le Resi­li­enz in der Gesell­schaft entstehen?

Ein ent­schei­den­der Schritt ist die Ver­ste­ti­gung erfolg­rei­cher Ansät­ze. Wenn Bil­dungs­for­ma­te wie kur­ze Sen­si­bi­li­sie­rungs­vi­de­os nach­weis­bar wirk­sam sind, dann soll­te die­ser Ansatz wei­ter aus­ge­baut wer­den. Dabei soll­ten nicht nur jun­ge Men­schen erreicht wer­den – auch älte­re Gene­ra­tio­nen, die mit der digi­ta­len Ent­wick­lung oft nicht Schritt hal­ten, brau­chen geziel­te Ange­bo­te. Hier ist es beson­ders wich­tig, Inklu­si­on mit­zu­den­ken. Das beginnt bei der Gestal­tung, Tona­li­tät, Bar­rie­re­frei­heit, der Wahl des Medi­ums und endet beim Targeting. 

Gleich­zei­tig reicht es nicht, Des­in­for­ma­ti­on zu erken­nen – Men­schen müs­sen auch Ver­trau­en in demo­kra­ti­sche Insti­tu­tio­nen haben. Poli­ti­sche Bil­dung und digi­ta­le Resi­li­enz müs­sen daher enger mit­ein­an­der ver­zahnt werden.

Was möch­test du gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­tio­nen an die­ser Stel­le noch mitgeben?

Zivil­ge­sell­schaft­li­che Initia­ti­ven leis­ten tag­täg­lich wert­vol­le Arbeit – oft im Ver­bor­ge­nen und ohne die Aner­ken­nung, die sie ver­die­nen. Es ist wich­tig, die­se Arbeit sicht­ba­rer zu machen und gezielt zu unter­stüt­zen, sei es durch Spen­den, ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment oder stra­te­gi­sche Part­ner­schaf­ten. Jede Form der Unter­stüt­zung hilft, ihre Wir­kung lang­fris­tig zu sichern. 

Gleich­zei­tig soll­te die Zivil­ge­sell­schaft ihre eige­ne finan­zi­el­le Unab­hän­gig­keit stär­ken. Gera­de in Zei­ten knap­per staat­li­cher Mit­tel und eines Rück­gangs im Enga­ge­ment gro­ßer Stif­tun­gen, sind eine eta­blier­te Spen­den­kul­tur und regel­mä­ßi­ge Fund­rai­sing-Initia­ti­ven ent­schei­dend, um lang­fris­tig hand­lungs­fä­hig zu bleiben. 

Ein Hoff­nungs­schim­mer ist das gro­ße Poten­zi­al talen­tier­ter Fach­kräf­te, die nun z.B. auf­grund der zurück­ge­fah­re­nen Trust & Safe­ty-Maß­nah­men aus Platt­for­men aus­schei­den. Ihr Wis­sen und ihre Fähig­kei­ten kön­nen nun ver­stärkt in der Zivil­ge­sell­schaft ein­ge­bracht wer­den – sei es haupt- oder ehren­amt­lich. Wenn es gelingt, die­ses Momen­tum zu nut­zen und die­se Men­schen lang­fris­tig gezielt ein­zu­bin­den, könn­te das die Zivil­ge­sell­schaft nach­hal­tig stärken.

Vie­len Dank für das Gespräch!