Kommunalberatung
„Wirkungsorientierung als Fetisch ist kontraproduktiv”
Michael Löher trägt im PHINEO-Beirat dazu bei, dass unsere Arbeit nicht vom Kurs abkommt. Im Hauptberuf ist er Vorstand des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. Unter dessen Dach versammeln sich ca. 2.100 private und öffentliche Akteure, die die soziale Arbeit in Deutschland gestalten. Wir wollten von Herrn Löher wissen, was unser Herzensthema Wirkungsorientierung für die Kinder- und Jugendhilfe in Kommunen bedeutet.
Von Merret Nommensen
Herr Löher, welche Rolle spielt Wirkungsorientierung bislang in der kommunalen Unterstützung für Kinder und Familien?
“Niemand sperrt sich gegen Wirkungsorientierung. Nach meiner
Erfahrung nehmen Kommunen den Blick auf das, was wirkt, sehr ernst. Das
zeigt die Tatsache, dass immer wieder neue Konzepte entwickelt werden,
Dinge ausprobiert und neue Zielgruppen adressiert werden. Allerdings
erfordert Wirkungsorientierung fachliche Kompetenzen und zeitliche
Ressourcen. Es ist anspruchsvoll, Wirkungsziele, ‑indikatoren und
–messung jedes Mal zu definieren und nachzuhalten. Hier ist in den Kommunen, aber auch bei den Leistungserbringern, noch Luft nach oben.
Und gerade die Landesjugendämter, die eigentlich für die nötige
Qualifizierung sorgen sollen, haben sich aus vielen Aufgaben zurück
gezogen. Nach meiner Einschätzung müssten künftige Fachkräfte die Grundlagen für wirkungsorientierte oder ergebnisorientierte Steuerung noch mehr an der Hochschule lernen, neben psychosozialen und sozialwissenschaftlichen Inhalten.”
Das Zusammenspiel von kommunaler Verwaltung, Trägern und Politik ist eine der größten Herausforderungen für eine wirksame Jugendhilfe. Kann Wirkungsorientierung als Bindeglied funktionieren?
“Dass für eine erfolgreiche Kinder- und Jugendhilfe öffentliche und freie Träger zusammenspielen müssen, ist im Sozialgesetzbuch (§ 4 SGB VIII) explizit verankert. Wirkungsorientierung als Bindeglied kann ihre Aufgabe erfüllen, wenn man sich über die Begriffe Wirkung, Wirksamkeit und Wirkungsorientierung verständigt hat. Wie verstehen wir Wirkung? Was wollen wir erreichen, was ist unser strategisches Ziel? Wirkungsorientierung sollte als Chance verstanden werden, Leistungen in einem fachlichen Dialog weiterzuentwickeln. Die Beteiligten brauchen eine ergebnisoffene Haltung bezogen auf den Planungsprozess und dessen Resultate. Ich beobachte allerdings, dass man vor Ort auf beiden Seiten hier sehr unterschiedlich weit ist. Nicht selten wird Wirkungsorientierung als Controlling-Instrument verstanden oder mit Einsparungen assoziiert. Das ist keine gute Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Partnerinnen und Partner.”
„Wirkungsorientierung als Bindeglied kann ihre Aufgabe erfüllen, wenn man sich über die Begriffe Wirkung, Wirksamkeit und Wirkungsorientierung verständigt hat.”
Michael Löher, Vorstand Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. und Mitglied im PHINEO-Beirat
Wo und warum sehen Sie Grenzen von Wirkungsorientierung in der kommunalen Planung und Steuerung?
“Die Grenzen liegen für mich klar in der Messbarkeit von Wirkung. Viele Faktoren beeinflussen die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und oft stellt sich die Wirkung eines Angebots erst nach längerer Zeit ein. Bei präventiven Maßnahmen ist es sogar noch schwerer bis unmöglich, Effekte nachzuweisen. Die Gefahr besteht dann, dass Kommunen auf Maßnahmen setzen, die kurzfristig Veränderung zeigen und Leistungen vernachlässigen, die ihre Wirkung über lange Zeit entfalten. Kommunale Planung sollte sich meiner Meinung nach auf die Evaluation einzelner Konzepte und Methoden und auf Langzeitbeobachtungen stützen. Ähnliches gilt für Wirkungsindikatoren. Indikatoren können Transparenz schaffen und eine Diskussion darüber anregen, was hilft. Sie sind aber kein Selbstzweck und vor allem kein objektiver Bewertungsmaßstab. Wenn Wirkungsorientierung zum Fetisch erhoben wird, ist es kontraproduktiv.”
Wer kann und sollte nach Ihrer Meinung eine wirkungsorientierte Planungspraxis in Kommunen vorantreiben?
“Es sollte im ureigenen Interesse von Jugendämtern liegen, Wirkungsorientierung im Blick zu haben. Sie wollen ihrem Hilfeauftrag nachkommen und sparsam mit Ressourcen umgehen. Aber auch Träger sollten dieses Interesse haben. Die Jugendämter sind verantwortlich, den Dialog zwischen den Beteiligten zu fördern. Wichtig ist, dass nicht der Eindruck entsteht, die veränderte Planungspraxis diene ausschließlich dem Sparen. Dann würde das Vorhaben auf wenig Akzeptanz bei den Trägern stoßen und wäre wohl nicht erfolgreich. Eine moderne Verwaltung zeichnet sich dadurch aus, dass sie über Methoden und Strategien einer integrierten Planung verfügt und eine entsprechende kooperationsbereite Haltung zeigt. Hier schließt sich der Kreis zu den genannten fachlichen und zeitlichen Ressourcen. Für mehr Wirkungsorientierung brauchen Kommunalverwaltungen mehr personelle Ressourcen.”
Wie kann PHINEO Kommunen unterstützen, wirkungsorientierter zu planen und zu steuern?
“PHINEO sammelt in ihren Projekten mit Kommunen einiges an Erfahrungen und Erkenntnissen. Und Sie kennen gute Beispiele. Nutzen Sie das, um auch andere Kommunen davon zu überzeugen, dass Wirkungsorientierung nützt. Planen Sie bei sich und den Projektpartnerinnen und Partnern Ressourcen ein, um die Ergebnisse zu skalieren. So tragen Sie dazu bei, dass Modellprojekte ins Regelsystem überführt werden.”