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Bun­des­teil­ha­be­ge­setz

Wir­kungs­ori­en­tie­rung in der Eingliederungshilfe

Thomas Luthmann,
15.09.2021

Eigent­lich ist das The­ma ein alter Hut: Wir­kung und Wirk­sam­keit in der Ein­glie­de­rungs­hil­fe. Bei­de Begrif­fe sind bereits seit Ende 2016 im Bun­des­teil­ha­be­ge­setz (BTHG) fest­ge­schrie­ben. In der Pra­xis haben Kos­ten­trä­ger und Leis­tungs­er­brin­ger jedoch mit ver­schie­de­nen Fall­stri­cken zu kämp­fen. Wir stel­len eini­ge von ihnen sowie ers­te Lösungs­an­sät­ze vor.

Im BTHG wird die Leis­tungs­ver­ga­be und ‑ver­gü­tung in §§ 128 und 131 SGB XI unmit­tel­bar an die­se Anfor­de­run­gen geknüpft. Der Gedan­ke dahin­ter: Wenn sich die Lebens­ver­hält­nis­se von Men­schen mit Behin­de­rung nach­hal­tig ver­bes­sern und ihre Teil­ha­be am gesell­schaft­li­chen Leben gestärkt wer­den soll, dann braucht es Kri­te­ri­en, die erfolg­rei­che Maß­nah­men von weni­ger erfolg­rei­chen unter­schei­den. Sozia­le Orga­ni­sa­tio­nen, Kos­ten­trä­ger und Men­schen mit Behin­de­rung haben die­sen Schritt in Rich­tung geleb­ter Inklu­si­on weit­hin begrüßt.

The­se #1: Die Vor­ga­ben des BTHG erschwe­ren Wir­kungs­ori­en­tie­rung in der Ein­glie­de­rungs­hil­fe. Der Grund­ge­dan­ke ist aber richtig.

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. So könn­te eine zen­tra­le Erkennt­nis aus dem BTHG lau­ten. Denn das Gesetz lässt offen, wie die Begrif­fe Wir­kung und Wirk­sam­keit inhalt­lich zu ver­ste­hen sind, kurz­um: wel­che kon­kre­ten Zie­le wie erreicht wer­den sol­len. Klar ist ledig­lich, dass Wir­kung und Wirk­sam­keit nicht das Glei­che mei­nen. Der Begriff Wir­kung beschreibt eine direk­te Ver­än­de­rung bei der Ziel­grup­pe, nach­dem die­se in den Genuss einer Maß­nah­me bzw. Inter­ven­ti­on“ gekom­men ist. Wirk­sam­keit hin­ge­gen meint den Erfolg einer kon­kre­ten Maß­nah­me – und zwar in dem Sin­ne, wie es beab­sich­tigt war. 

Eine gro­ße Hil­fe für Leis­tungs­trä­ger und ‑erbrin­ger kann die­se gro­be Unter­schei­dung nicht sein. Dafür müss­te bei der inhalt­li­chen Aus­ge­stal­tung der Begrif­fe mehr Ori­en­tie­rung und Ver­bind­lich­keit geschaf­fen wer­den. Die Stoß­rich­tung stimmt aber. Die Bedar­fe der Ziel­grup­pen sind unbe­dingt stär­ker in den Fokus zu neh­men und dafür ist auch auf die Wirk­sam­keit der gewähl­ten Maß­nah­men zu achten. 

The­se #2: Das BTHG ist eine Ein­la­dung, sich die Ziel­grö­ßen in der sozia­len Arbeit selbst aus­zu­su­chen. Das eröff­net Gestaltungsspielräume.

Zu den inhalt­li­chen Unschär­fen bei den Begrif­fen Wir­kung und Wirk­sam­keit passt auch, dass gar nicht immer klar ist, ob sich die Wir­kung einer Maß­nah­me allein auf die­se zurück­füh­ren lässt. Ver­mu­tet wird stets ein kau­sa­ler Zusam­men­hang wie bei einem ein­fa­chen Reiz-Reak­ti­ons-Sche­ma. Heißt: Weil unse­re Betreu­ten die­se und jene Maß­nah­me erhal­ten haben, haben wir jetzt die­sen Effekt. Tat­säch­lich wird der Erfolg einer Maß­nah­me aber auch von äuße­ren Fak­to­ren beeinflusst. 

Vie­le Leis­tungs­trä­ger und ‑erbrin­ger behel­fen sich, indem sie für ihre Wirk­sam­keits­ana­ly­se ver­meint­lich objek­ti­ve Kri­te­ri­en her­an­zie­hen wie bspw. die Quo­te des Über­gangs von Werk­statt­be­schäf­tig­ten auf den ers­ten Arbeits­markt“. Die­se Quo­te kann ein­fach erho­ben und sogar mit ande­ren Ein­rich­tun­gen ver­gli­chen wer­den. Wenn man ehr­lich ist, muss man aber auch hier fest­hal­ten: Die ermit­tel­ten Kenn­zah­len sind nur begrenzt aus­sa­ge­kräf­tig. Sie las­sen z.B. unbe­rück­sich­tigt, wie stark die Behin­de­rung der Beschäf­tig­ten ist, ob die­se über­haupt eine Inte­gra­ti­on in den ers­ten Arbeits­markt anstre­ben und wel­chen Zusatz­nut­zen sie aus der Maß­nah­me beziehen. 

Posi­tiv wie­der­um ist: Man kann die­se Unschär­fe auch nut­zen. Für eige­ne inno­va­ti­ve, wir­kungs­ori­en­tier­te und adap­tier­ba­re Ideen. Genau dafür bie­ten sol­che Unschär­fen Freiraum. 

The­se #3: Zufrie­den­heits­be­fra­gun­gen lösen kei­ne grund­sätz­li­chen Pro­ble­me. Sie sind aber ein Bau­stein auf dem Weg hin zu mehr Zielgruppennähe.

Ein­zel­ne Bun­des­län­der ver­su­chen den Unsi­cher­hei­ten bei­zu­kom­men, indem sie die Lebens­qua­li­tät der Leis­tungs­be­rech­tig­ten mes­sen. So hand­habt es z.B. das Land Ham­burg. Als Kos­ten­trä­ger arbei­tet es eng mit den Leis­tungs­er­brin­gern zusam­men, fragt regel­mä­ßig die Zufrie­den­heit der Betreu­ten ab und wer­tet die Ergeb­nis­se zusam­men mit den Ein­rich­tun­gen und Trä­gern der sozia­len Arbeit aus. 

Zwar ist auch die­ser Wir­kungs­be­leg nicht frei von metho­di­schen Schwä­chen. Doch schärft er zumin­dest den Blick für den Leis­tungs­be­rech­tig­ten und bin­det ihn stär­ker ein. Und genau das ist es, wor­um es dem BTHG geht: Teil­ha­be. Inso­fern han­delt es sich hier­bei um einen inno­va­ti­ven und prak­ti­ka­blen Ansatz, der als zen­tra­ler Bau­stein von Wir­kung und Wirk­sam­keit unbe­dingt ver­fei­nert und aus­ge­baut wer­den sollte. 

The­se #4: Wir­kungs­ori­en­tie­rung ist auch eine Fra­ge der Haltung. 

Häu­fig haben Ein­rich­tun­gen und sozia­le Trä­ger Vor­be­hal­te gegen­über Wir­kungs­ori­en­tie­rung, weil sie befürch­ten, dass ihre Arbeit allein wirt­schaft­li­chen Kri­te­ri­en unter­ge­ord­net wird. Die­se Sor­ge ist jedoch unbe­rech­tigt. Dass die Ziel­grup­pen an Ent­schei­dun­gen betei­ligt wer­den, dass sie einen lang­fris­ti­gen Nut­zen aus Maß­nah­men bezie­hen und sich ihre Lebens­be­din­gun­gen nach­hal­tig ver­bes­sern, dass die Orga­ni­sa­ti­on lernt und ihre Ange­bo­te schärft – das ist nicht nur eine Selbst­ver­ständ­lich­keit, son­dern auch Aus­druck von Mündigkeit. 

Wir­kungs­ori­en­tie­rung kann man erler­nen – und zum Nut­zen aller anwenden.

Mit­un­ter sind die Unsi­cher­hei­ten in Bezug auf Wir­kung und Wir­kungs­ana­ly­se auch haus­ge­macht. Schwie­rig­kei­ten, die immer wie­der auf­tre­ten, sind z.B. die Erar­bei­tung sinn­vol­ler und rea­lis­ti­scher Wir­kungs­zie­le, die rich­ti­ge Prio­ri­tä­ten­set­zung oder der effek­ti­ve und effi­zi­en­te Ein­satz von Res­sour­cen, wie Char­lot­te Butt­kus berich­tet. Sie bie­tet bei PHI­NEO seit meh­re­ren Jah­ren Wei­ter­bil­dun­gen zu Wirkungsmanager*innen an und kennt die Her­aus­for­de­run­gen für gemein­nüt­zi­ge Orga­ni­sa­tio­nen und Kos­ten­trä­ger genau. Anhand der Wir­kungs­trep­pe ler­nen Teil­neh­men­de, wie sie Wir­kung sys­te­ma­tisch pla­nen und umset­zen, prä­zi­se ana­ly­sie­ren und mes­sen und anschlie­ßend trans­pa­rent dar­über berich­ten. Die­ses Wis­sen kann dann auf ver­schie­de­ne Pro­jek­te und Berei­che der Ein­rich­tung oder Orga­ni­sa­ti­on über­tra­gen werden.

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Nittaya Fuchs

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